MFO-Buchvernissage von «Erbe als Verantwortung»

Am 18.09.2025 hat an der Bellerivestrasse der Anlass zur Publikation des Buches von Jorge Frey und Eugen Stamm stattgefunden. Im Buch geht es darum, wie es der nächsten Generation von Erben und Familienunternehmern gelingt, dem Familienvermögen eine eigene Prägung zu geben und wie es ihr Leben bisher beeinflusst hat.

Hundert geladene Gäste folgten dem spannenden Referat von Natalie Spross, wie der Vermögensübergang in ihrer Firma stattgefunden hat. Nach ihrem Referat wurde in einem Panel mit VertreterInnen der Next Gen, den Autoren und der Wissenschaft Fragen diskutiert, wie sich das Verhältnis zum Familienvermögens im Laufe der Jahre verändern kann und ob es Pflicht, Privileg oder manchmal auch Last bedeutet und wie sie ihr Leben mit oder ohne das Vermögen gestalten wollen.

Wieso es ein Buch und die Auseinandersetzung zu diesem Thema braucht, bestätige die Auseinandersetzung und Diskussion der Gäste im anschliessenden Q&A. Das Thema des Vermögensüberganges, volumenunabhängig, wird uns weiter beschäftigen. Herzlichen Dank an die Teilnehmenden, den Gästen und die Organisation.

Millennials ticken anders – auch in Vermögensfragen

NZZ – Michael Ferber

Millennials hinterfragen finanzielle Entscheide ihrer Eltern und fordern mehr Kommunikation ein. Für viele Nachkommen wohlhabender Familien ist das Vermögen auch eine Last. Dies sorgt für Herausforderungen.

In der Schweiz werden in jedem Jahr 60 bis 70 Mrd. Fr. an Vermögen vererbt. Die Übergabe dieser Gelder von einer auf die nächste Generation birgt einige Herausforderungen. Zudem «ticken» die jüngeren Generationen der Millennials (Jahrgänge 1981 bis 1996) und der Generation Z (Jahrgänge 1997 bis 2010) in Finanzangelegenheiten in mancherlei Hinsicht anders als ihre Eltern – und hinterfragen deren Anlageentscheide. Darin sind sich Spezialisten im Bereich Family Governance einig, und auch mehrere jüngst erschienene Publikationen zeigen dies.

Tabus um das liebe Geld

Bei vielen dieser Familien handelt es sich um Unternehmerfamilien. Die Übergabe des Unternehmens und der Vermögen stellt diese oftmals vor grosse Herausforderungen, wie eine Publikation der Credit Suisse und der Young Investors Organisation (YIO) – eines globalen Netzwerks von jungen Mitgliedern aus einflussreichen Unternehmerfamilien – zeigt. Dazu wurden im vergangenen Jahr mehr als 200 Mitglieder der YIO und ihrer Familien befragt.

Auch in einigen wohlhabenden Familien scheint Geld bis zu einem gewissen Grad als Tabuthema behandelt zu werden. Jedenfalls wünschen sich laut der Publikation viele der jüngeren Mitglieder dieser Familien – im Finanzjargon als «next generation» bezeichnet – einen verstärkten generationenübergreifenden Dialog. 59% der Befragten gaben an, sie würden in der Familie gerne offener über Vermögen sprechen. Mehr als zwei Drittel von ihnen gingen davon aus, dass ihre Familien von einer gesteigerten Kommunikation profitieren würden.

Respekt und Toleranz nötig

Es sei oftmals eine grosse Herausforderung, dass die zwei oder möglicherweise drei Generationen zusammen an einen Tisch sitzen und das Thema Vermögensübergabe besprechen, sagt Vanessa Fasciati, Spezialistin für Family Governance bei dem Unternehmen Marcuard Family Office. Es sei wichtig, dass die Generationen sich auf gemeinsame Familienwerte einigten und sich tolerant und respektvoll gegenübereinander zeigten. Bei diesem Prozess sei es wichtig, Klarheit darüber zu erlangen, was die Familie mit dem Vermögen überhaupt erreichen wolle und welche Risiken gegebenenfalls damit verbunden seien. Ein externer Moderator sei in diesem Prozess oftmals hilfreich.

Bei der Verwaltung der Vermögen treten ebenfalls unterschiedliche Ansichten zwischen den Generationen zutage. Den Millennials wird oftmals ein überproportionales Interesse an nachhaltigen Anlagen zugeschrieben. In der Umfrage von CS und YIO gaben 27% der Befragten an, für ihr Vermächtnis sei es ihr Ziel, einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft zu hinterlassen. 86% der Befragten teilten mit, Interesse an Anlageprodukten aus den Bereichen Nachhaltigkeit und Impact Investing zu haben. Allerdings zeigt die Untersuchung auch, dass die Produkte in der Praxis von den YIO-Mitgliedern noch vergleichsweise wenig angewandt werden – nur 24% gaben an, tatsächlich in solchen Anlageprodukten investiert zu sein.

Vermögen als Last

In der Praxis sei zu beobachten, dass Millennials oftmals die Anlageentscheide ihrer Eltern hinterfragten, sagt Fasciati. Die GenerationY sei oftmals bei Vermögensanlagen idealistischer eingestellt und wolle mit ihren Investitionen auch etwas Gutes bewirken. Allerdings stelle sich hierbei die Frage, inwieweit dies mit dem Alter erklärbar sei. Jedenfalls sind die Vorlieben der «next generation» für Finanzinstitute sehr relevant. Bereits heute spielten 39% der Befragten eine aktive Rolle bei der Verwaltung des Familienvermögens, heisst es in der Studie von CS und YIO. 97% sind daran interessiert, hier aktiv mitzuwirken.

Dass das Erbe für die Sprösslinge wohlhabender Familien zwar Freiheit bedeutet, aber auch eine gewisse Bürde, wird in der Studie ebenfalls deutlich. 45% der Befragten gaben jedenfalls an, sie empfänden die Erwartungen ihrer Familie des Öfteren als Last. Bei vielen wohlhabenden Familien werde der Druck auf die jüngere Generation unterschätzt, sagt Fasciati. Dabei sei die Chance, ähnlich erfolgreich zu werden wie die Eltern, statistisch gesehen relativ klein.

Gleichzeitig werde der Nachwuchs oftmals nicht besonders gut und nicht früh genug für seine kommende Verantwortung ausgebildet. Die Übergänge bei der Vermögensübergabe seien oft zu abrupt, sagt Fasciati. Der jungen Generation werde zu wenig die Chance gegeben, schrittweise in eine Aufgabe hineinzuwachsen – beispielsweise durch die Mitgliedschaft in einem Anlage-Komitee oder die Möglichkeit, hier in einer beobachtenden Rolle teilzunehmen.

Nicht immer geht es harmonisch zu

Oftmals kommt es auch zu Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft von Unternehmen. Dies zeigt die Studie von CS und YIO anhand des Beispiels des thailändischen Familienunternehmens KTIS Group, eines Zuckerherstellers. Hier gab es Differenzen zwischen dem Patron und seiner Tochter, die in das Management geholt wurde. Dabei ging es vorallem darum, ob die Firma an die Börse gebracht werden solle oder nicht.

Am Ende überzeugte die Tochter den Vater, dass es für die langfristige Zukunft der Firma das Beste wäre, wenn diese kotiert wäre – und so ging KTIS 2014 in Thailand an die Börse. Die KTIS Group sei ein Beispiel dafür, wie die Einheit der Familie bewahrt werden könne, auch wenn einzelne Mitglieder in Kernfragen unterschiedlicher Meinung seien, heisst es in der Publikation. In solchen Fällen sei es sinnvoll, darüber nachzudenken, was das eigentliche Ziel der Familie mit dem Unternehmen sei. Auch wenn die verschiedenen Generationen unterschiedliche Arbeitsmethoden hätten, sei die Vision oft dieselbe. Zudem heisse Familieneinheit nicht unbedingt immer Familienharmonie.

Vermögen erfolgreich auf die Nachkommen übertragen

Ein neuer Leitfaden betont die Wichtigkeit von weichen Faktoren

NZZ Libro – Basel, im Mai 2019 – Jorge Frey, Eugen Stamm

Wie bereitet man seine Nachkommen auf die Verantwortung vor, die mit einem Erbe einhergeht? Wir wissen viel darüber, wie man ein Vermögen verwaltet. Wie man dieses aber weitergibt und mit welcher Grundhaltung man es verknüpfen kann, damit es zu einem Geschenk wird und nicht zu einer Last, darüber wird kaum nachgedacht. Ein neues Buch geht diesen wichtigen Fragen nach und bietet Anhaltspunkte und Ratschläge. Am 5. Juni 2019 kommt es in den Buchhandel.

«Wissen Sie, hätte mein Vater zu arbeiten gelernt und wäre ich in einer normalen Familie aufgewachsen, dann hätte ich es vielleicht auch zu etwas gebracht.» Kaspar stammte aus einer Familie, die Generationen vor ihm zu Reichtum gekommenen war. Zufällig sassen Kaspar und einer der beiden Buchautoren an einem schönen Nachmittag in einem Strassencafé und kamen ins Plaudern – v.a. Kaspar. Sein Fall steht jetzt als Mahnmal am Anfang des Buchs «Von Geld und Werten». Er zeigt, wie schwierig es sein kann, Vermögen von einer Generation auf die nächste zu übertragen und dass es mit einem Testament nicht getan ist. Viele Faktoren entscheiden über Erfolg oder Misserfolg, allen voran emotionale. «Ein Sprichtwort sagt, dass Geld den Charakter nicht verändert, sondern ihn sichtbar macht», schreiben Jorge Frey und Eugen Stamm im Vorwort.

Reichtum und vorgelebte Werte

«Umso mehr sollte man versuchen, zeit seines Lebens die familären Beziehungen so zu gestalten, dass sie auch nach dem eigenen Ableben intakt bleiben», so Frey und Stamm weiter. Ihr Buch handelt davon, wie man seine Nachkommen lehrt, vernünftig von der finanziellen Freiheit Gebrauch zu machen. Es lebt von den Erfahrungen vermögender Familien, die den Autoren Einblick in ihre Verhältnisse boten: Jorge Frey und Eugen Stamm haben sich mit über 30 Personen aus der ganzen Schweiz unterhalten. «Ihre Offenheit hat uns (…) positiv überrascht.»

«Wissen Sie, hätte mein Vater zu arbeiten gelernt und wäre ich in einer normalen Familie aufgewachsen, dann hätte ich es vielleicht auch zu etwas gebracht.»

«Vermögende werden erst dann zu ehrenwerten Bürgern, wenn sie ihren Beitrag zum Gemeinwohl leisten, sei es durch das Schaffen von Arbeitsplätzen, das Bezahlen von Steuern oder durch philanthropisches Engagement.» Wer die finanzielle Freiheit «nur zu seinem eigenen Vorteil nutzt, schadet nicht nur dem Gemeinwohl, sondern auch seiner Familie,» sind die Autoren überzeugt. «Denn man gibt mehr als nur Vermögen weiter – man vermittelt auch seine Einstellung dazu.»

Wie man beim Vererben Streit vermeiden kann

Die Autoren Jorge Frey und Eugen Stamm zeigen in ihrem Buch, wie brisant das Vererben ist; der sorgenfreie Weg eines Vermögens von einer Generation zur nächsten ist oft von Emotionen blockiert. Alte Verletzungen brechen wegen finanziellen Detailfragen auf, zementierte Rollenmuster zwischen den Kindern führen zu Streitigkeiten, all das zusätzlich zur Trauer. «Entscheidend in der Nachlassplanung sind nicht technische Details, sondern weiche Faktoren wie Emotionen und psychologische Sachverhalte.»

«Kinder, vertragt Euch!»

Ein erklärtes Ziel der Autoren ist deshalb, «vermögende Familien in diesem Prozess gedanklich zu unterstützen und Wege aufzuzeigen, wie eine erfolgreiche Vermögensübergabe vorbereitet wird.» Genauso wollen Frey und Stamm aber die Praktiker sensibilisieren, «die diese Familien in solchen Fragen beraten: Vermögensverwalter, Private Banker, Anwälte, Treuhänder, Psychologen und andere.»
«Die Essenz dessen, was man sich am Ende seines Lebens wünscht, hat eine Mutter einmal in ihrem Testament aufgeschrieben. Als es der Notar eröffnet, liest er nur drei Wörter vor: ‹Kinder, vertragt Euch!›»

Weitere Angaben zu den Autoren finden Sie hier.

Das Buch „Von Geld zu Werden“ können Sie bei NZZ Libro erwerben.

Weiterführende Links: www.familygovernance.ch


Geld haben sie, aber wenigstens kein Glück

NZZ – Rainer Zitelmann

Gegen Reiche gibt es viele Vorurteile, aus denen der Neid spricht. Doch dieser ist nicht überall gleich virulent.

Die Forschung hat bisher Tausende von Aufsätzen und Büchern zum Thema Vorurteile vorgelegt. Besonders intensiv wurden dabei Rassismus und Sexismus untersucht. Sehr viel weniger Untersuchungen gibt es über Vorurteile, die auf der Klassen- bzw. Schichtzugehörigkeit basieren. Man spricht hier von Klassismus. Inzwischen gibt es aber in den Vereinigten Staaten eine Reihe von Arbeiten, die sich mit Vorurteilen über arme Menschen befassen. Bisher kaum untersucht wurden jedoch Vorurteile über eine Minderheit: die Reichen. Die Social-Comparison-Forschung zeigt, dass wir uns andauernd – bewusst oder unbewusst – mit anderen Menschen vergleichen, um Informationen für unsere Selbstbewertung zu erhalten. Umgekehrt gilt: Wenn wir uns selbst bewerten, dann vergleichen wir uns mit anderen. Dieser Vergleich geschieht automatisch, weil wir uns nur im Vergleich mit anderen selbst wahrnehmen können. Neid kann entstehen, wenn sich Person A mit Person B vergleicht und Person B Eigenschaften, Güter oder Positionen besitzt, die Person A gerne hätte. Dass diese Vergleiche häufig unbewusst stattfinden, ist eine der Ursachen dafür, dass wir Neid gerne verdrängen.

Strategien gegen den Neid

Menschen versuchen, Neid zu reduzieren. Das kann geschehen, indem sie sich bemühen, die Lücke zwischen sich und dem Beneideten zu verkleinern. Gelingt das nicht, dann betont der Neider eigene Vorteile der Persönlichkeit, die auf einer anderen als der Vergleichsebene liegen. Der Neider kann beispielsweise sagen: Ich bin zwar nicht so reich wie X, aber dafür gebildeter oder warmherziger. Der Neider kann zudem die Felder, in denen er schlecht abschneidet, in ihrer Bedeutung herunterspielen,und jene Felder,in denen er gut abschneidet, herausstreichen. Wenn soziale Gruppen andere Gruppen als ökonomisch erfolgreicher wahrnehmen, können ihre Angehörigen Kompensationsstrategien entwickeln, um ihr Selbstwertgefühl zu erhalten. Angehörige höherer sozialer Schichten können die Kriterien für die Rangordnung in einer Gesellschaft – beispielsweise wirtschaftlicher Erfolg oder Bildung – leichter akzeptieren, weil sie selbst oben in der Hierarchie stehen. Angehörige höherer sozialer Schichten neigen in stärkerem Masse dazu, sich aufgrund sozioökonomischer und kultureller Merkmale von anderen Gruppen abzugrenzen, während die Angehörigen unterer Schichten sich eher auf moralische Kriterien stützen. Untersuchungen in den Vereinigten Staaten und in Deutschland deuten darauf hin, dass «Nicht-Reiche» Kompensationsstrategien verfolgen, indem sie die Bedeutung von wirtschaftlichem Erfolg für die Lebenszufriedenheit infrage stellen und bestimmte Werte wie zwischenmenschliche Beziehungen, Moral oder Familienleben höher gewichten. Doch dabei bleibt es nicht. Um sich über die Reichen stellen zu können, muss diesen pauschal abgesprochen werden, dass sie in diesen Bereichen möglicherweise gleich gut (oder vielleicht sogar besser) sein könnten. Die Stereotype, Reiche seien kalt, hätten ein schlechtes Familienleben oder ganz generell unbefriedigende zwischenmenschliche Beziehungen, seien egoistisch und hätten eine schlechtere Moral, dienen dazu, die eigene Überlegenheit zu postulieren. Das Gemeinsame jener Dimensionen, über die Angehörige von «sozial benachteiligten» Schichten behaupten, besser zu sein als die Reichen, ist, dass sie sehr stark der subjektiven Deutung unterliegen. Beispielsweise ist nachweisbar wer mehr Geld oder eine bessere Bildung hat; hier bleibt wenig Raum für Diskussion oder Interpretation. Anders verhält es sich mit der Frage, wer erfüllendere zwischenmenschliche Beziehungen unterhält oder bei wem das Familienleben besser funktioniert. Hier hängt die Antwort stark von der subjektiven Interpretation ab und ist für einen Aussenstehenden meist gar nicht erkennbar.

Wie sieht es im Westen aus?

Die Institute Allensbach und Ipsos Mori führten im Mai und Juni 2018 eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe in Deutschland, den Vereinigten Staaten, Grossbritannien und Frankreich mit identischen Fragestellungen durch. Da Sozialneid nicht mit direkten Fragen («Wie neidisch sind Sie?») gemessen werden kann, wurden den Teilnehmern drei Aussagen vorgelegt, die ein Indikator für Sozialneid sein können: «Ich fände es gerecht, wenn die Steuern für Millionäre stark erhöht würden, auch wenn ich dadurch persönlich keinen Vorteil hätte»; «Ich wäre dafür, die Gehälter von Managern, die sehr viel verdienen, drastisch zu kürzen und das Geld an die Angestellten der Unternehmen zu verteilen, auch wenn diese dadurch vielleicht nur ein paar Euro im Monat mehr bekämen»; «Wenn ich höre, dass ein Millionär mal durch ein riskantes Geschäft viel Geld verloren hat, denke ich: das geschieht dem recht». Als «Nicht-Neider» werden jene bezeichnet, die keine dieser drei Fragen bejaht haben. Mit «Ambivalenten» sind jene gemeint,die eine der dreiAussagen unterstützen. Als «Sozialneider» werden jene bezeichnet, die zwei oder drei Aussagen unterstützen,wobei als «harter Kern» jene bezeichnet werden, die alle drei Aussagen bejahen. Zur Gruppe der Neider gehören in Deutschland 33 Prozent, in Frankreich 34, in den USA 20 und in Grossbritannien 18 Prozent. Da in allen Ländern die gleichen Fragen gestellt wurden, haben wir eine gute Vergleichsmöglichkeit. Grundlage der Vergleiche ist der Sozialneidkoeffizient. Er gibt das Verhältnis von Neidern zu Nicht-Neidern in einem Land an. Ein Wert von eins würde bedeuten, dass die Zahl der Neider und der Nicht-Neider gleich gross ist. Bei einem Wert unter eins überwiegt die Zahl der Menschen, die keinen ausgeprägten Sozialneid empfinden, bei einem Wert von über eins überwiegt die Zahl der Menschen mit ausgeprägtem Sozialneid. Der Sozialneidkoeffizient ergibt sich, wenn die Gruppe der Sozialneider (= zwei oder drei Fragen bejaht) zur Gruppe der Nicht-Neider (= keine Frage mit Ja beantwortet) in Relation gesetzt wird. Danach ist der Sozialneid in Frankreich mit 1,26 am grössten,es folgt Deutschland mit 0,97. In den USA (0,42) und Grossbritannien (0,37) ist er deutlich geringer. Die Trennschärfe dieser Kategorien zeigt sich vor allem darin, dass sich die so ermittelten Gruppen der Neider und der Nicht-Neider auch bei der Positionierung zu Dutzenden weiteren Aussagen deutlich unterscheiden. So wurden von der Gruppe der Neider als häufigste Persönlichkeitsmerkmale der Reichen Egoismus, Rücksichtslosigkeit, Materialismus, Überheblichkeit, Gier, Gefühlskälte und Oberflächlichkeit genannt. Nur 2 der 25 Persönlichkeitsmerkmale, die Sozialneider am häufigsten nannten, sind positiv, 23 dagegen negativ. Häufigste Persönlichkeitsmerkmale der Reichen aus Sicht der Gruppe der Nicht- Neider waren dagegen Fleiss, Intelligenz, Wagemut, Materialismus, Einfallsreichtum und visionäres Denken. Eine Frage diente dazu, herauszufinden, wie anfällig die Menschen in den vier Ländern für Sündenbockdenken sind. Den Befragten wurde folgende Aussage vorgelegt: «Superreiche, die immer mehr Macht wollen, sind schuld an vielen Problemen auf der Welt, etwa an Finanzkrisen oder humanitären Krisen.» In Deutschland ist die Zustimmung zu dieser Meinung mit 50 Prozent doppelt so hoch wie in Grossbritannien und den USA (25 und 21 Prozent). Das lässt vermuten, dass sich Aggressionen gegen Reiche und die Bereitschaft der Politik, gegen diese vorzugehen, in einer akuten Finanz- oder Wirtschaftskrise in Deutschland eher mobilisieren liessen als in den angelsächsischen Ländern. In Frankreich liegt die Zustimmung bei 33 Prozent.

Wem man es gönnt

Insbesondere die Gruppe der Neider ist anfällig für Sündenbocktheorien, was belegt, wie gut die Sozialneidskala zwischen Neidern und Nicht-Neidern unterscheidet. In Deutschland neigen 62 Prozent der Neider, aber nur 36 Prozent der Nicht-Neider zum Sündenbockdenken. In den anderen Ländern verhält es sich ähnlich.Diejenigen,die dem Sündenbockdenken anhängen, neigen auch stärker zum Nullsummenglauben. «Je mehr die Reichen haben, desto weniger bleibt für die Armen übrig»: Dem stimmen Mehrheiten der Sündenbockdenker in allen vier Ländern,also in Deutschland (60 Prozent), Frankreich (69 Prozent), Grossbritannien (57 Prozent) und den USA (65 Prozent), zu – aber nur 35, 41, 30 und 24 Prozent von jenen Befragten, die nicht dem Sündenbockdenken zuneigen. Ein wichtiges Ergebnis der Befragung lautet, dass junge Amerikaner den Reichen deutlich skeptischer gegenüberstehen als ältere – in europäischen Ländern verhält es sich umgekehrt. In bisherigen Befragungen zur Einstellung gegenüber Reichen wurden diese meist als homogene Gruppe behandelt. Tatsächlich unterscheidet sich jedoch die Einstellung der Bevölkerung je nachdem, wie Reiche ihren Reichtum erworben haben. In den vier Ländern wurde gefragt: «Manchen Leuten gönnt man es ja, wenn sie reich sind, bei anderen findet man das unverdient. Welche Personengruppen von dieser Liste haben es Ihrer Meinung nach verdient, wenn sie reich sind?» In allen Ländern stehen Unternehmer und Selbständige an der Spitze, und man gönnt es auch Kreativen (Musikern, Künstlern), Spitzensportlern und Lottogewinnern, wenn sie zu Reichtum gelangen. Finanzinvestoren, denen Amerikaner und Briten es ebenfalls gönnen, kommen dagegen in Deutschland auf den vorletzten Platz des Rankings und liegen auch in Frankreich weit hinten. Können Reiche ihr Image wenigstens aufbessern, wenn sie für wohltätige Zwecke spenden? Reiche, die das glauben, werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass ihnen in allen Ländern auch beim Spenden eher eigennützige als altruistische Motive unterstellt werden – also beispielsweise Steuern zu sparen oder ihren Ruf zu verbessern. In einer Hinsicht, auch dies zeigt die Befragung, verhält es sich bei Reichen so wie bei anderen Minderheiten auch: Der unbekannte, fremde Reiche ist den meisten Menschen eher suspekt – der Reiche, den man persönlich kennt, wird dagegen sehr viel positiver beurteilt und entspricht so gar nicht den verbreiteten Stereotypen.

Wenn die Erben First Class fliegen

NZZ – Eugen Stamm

Wie kann man den Nachkommen einen gesunden Umgang mit Luxus beibringen? Darüber sollten sich Vermögende Gedanken machen, wenn sie mehr als nur Geld weitergeben wollen.

Wie man seinen Nachkommen ein möglichst grosses und intaktes Vermögen weitergibt, darüber zerbrechen sich viele Bankberater den Kopf. Wie steht es aber mit der Frage nach dem Wozu? Ein Chef einer Firma, die Dutzende Milliarden Dollar verwaltet, hat in einem persönlichen Gespräch einmal offenbart, er habe sich noch nie darüber Gedanken gemacht, welche Werte im Umgang mit Geld er seinen Kindern vermitteln will. Es sei aber eine gute Frage, schob er verlegen nach.

Man kann sie auch umformulieren: Braucht die nächste Generation von der heutigen überhaupt eine Anleitung im Umgang mit Geld oder nicht? Vieles spricht dafür. Indem man seine eigenen Erfahrungen mit den Nachkommen teilt, festigt man den Familiensinn. Schliesslich hat jedes Vermögen, egal ob gross oder klein, eine bestimmte Herkunft und trägt in sich schon ein Erfolgsgeheimnis, ob das nun Fleiss, Talent, Sparsamkeit, ein erfolgreiches Geschäftsleben oder etwas anderes ist.

Sich selber zu fragen, welche Einstellung man selber von seinen Eltern übernommen hat und welche man gerne an seine Kinder weitergeben würde, hat für sich alleine schon eine gewisse Wirkung. Kann man die eigenen Werte benennen, ist es einfacher, über sie zu reden.

Dies wiederum kann hilfreich sein, wenn es um die Vorbereitung des Vermögenstransfers an die nächste Generation geht. Niemand wünscht sich, dass eines Tages zwischen den Erben Streit ausbricht, und trotzdem schreiben viele im einsamen Kämmerchen Vorgaben und Bestimmungen in ihr Testament, die genau dazu führen.

Vermögende Familien haben dies erkannt und verwenden auch in der Schweiz vermehrt das Instrument der Family Governance, um solches zu verhindern. Darunter versteht man einen Prozess unter sachkundiger Anleitung eines Beraters. Ziel ist, innerhalb der Familie einen Konsens herzustellen über Verwendung und Aufteilung des Vermögens und vor allem eben auch über die Werte, die allen Familienmitgliedern wichtig sind. Bedeutet Vermögen vor allem Sicherheit, oder sieht man es als Möglichkeit, in riskante Projekte zu investieren, weil man Verluste eher verkraftet? Was denken die anderen darüber? Wie geht man damit um, wenn die Eltern immer bescheiden gelebt haben, ein Nachkomme aber findet, man solle doch endlich einmal mehr das Leben geniessen, wenn man es doch vermag? Ein scherzhafter Us-erbrechtler hatte dem Vernehmen nach ein Plakat in seiner Kanzlei, auf dem stand: «Fliegen Sie First Class, denn Ihre Erben werden es tun.»

Zum Family-governance-prozess gehört auch, die Heranwachsenden rechtzeitig über die Vermögenslage zu informieren und ihnen, ab einem bestimmten Alter, auch ein Mitspracherecht einzuräumen, um ihr Interesse zu wecken.

Wie Beispiele aus dem Buch «Family Governance: Von Geld und Werten», das im Frühling 2019 im NZZ Libro Verlag erscheint, zeigen, unterscheidet sich das Leben von Vermögenden in der Schweiz manchmal deutlich vom Bild, das sich die Öffentlichkeit ausmalt.

Ein Unternehmer schildert, das Wichtigste, was sein Vater ihn gelehrt habe, sei ein fairer Umgang mit Angestellten und Geschäftspartnern; ein teures Auto oder teure Kleider würde er, der täglich im Betrieb präsent ist, sich nie kaufen.

Ein Ehepaar erklärt, dass ihnen soziales Engagement sehr wichtig sei. Sie haben einen zweistelligen Millionenbetrag für wohltätige Zwecke reserviert. Sie binden ihre erwachsenen Kinder und Enkelkinder in den Entscheidungsprozess, welche Projekte sie unterstützen wollen, vollwertig ein. In einem Familienleitbild haben sie festgehalten, für welche Werte sie einstehen.

Ein anderer Patron sagt, sein Vermögen erlaube ihm, den Verzicht auf materielle Dinge zu geniessen. Er wolle nicht dauernd neuen Sachen nachrennen; die Gewissheit, sie sich kaufen zu können, wenn er nur wollte, reiche ihm schon.

Aus Beispielen kann man zwar lernen, die eigene Einstellung muss sich aber jeder selber verdeutlichen.

Wie reiche Familien ihre Geldangelegenheiten steuern

Finanz und Wirtschaft – Thomas Hengartner

In Family Offices werden Besitz und Nachfolge geregelt, um Konflikte zu vermeiden. Privatmarktanlagen und Immobilien dominieren.

Industriellendynastien aus dem In- und Ausland sind mit eigenen Holdings in der schweizerischen Auflistung der Family Offices aufgeführt – die Jacobs und Schmidheinys wie auch Brenninkmeijers der C&A Modegruppe und die Schmuck-Swarovskis. Gut 70 Einträge sind es, wenn auch die Multi-Family-Offices mitgezählt werden. Sie versorgen jeweils mehrere Unternehmerfamilien mit Vermögens-, Rechts- und Steuerdiensten.

Die 331 reichen Familien aus allen Weltregionen, die in der diesjährigen Studie von UBS und Campden Wealth erfasst sind, verfügen im Schnitt über 808 Mio. $ Geldvermögen. Kumuliert kommen sie auf gut 250 Mrd. $. Sie sind der auffallende Teil des Universums der Superreichen. Deren Netzwerkorganisation Campden Wealth schätzt, dass global 5300 sehr wohlhabende Familien ihre Besitztümer in einem Family Office strukturiert haben.

Auf Generationen regeln

«Am Anfang steht in der Regel die Governance für die Familiengüter», sagt Jorge Frey vom zürcherischen Multi Family Office Marcuard auf Anfrage. Wichtig sei eine von allen Familienmitgliedern mitgetragene wertbasierte Struktur, auch mit Bezug auf die Verwaltung des Familienvermögens. «Wie, wann und auf welche Art es auf die nächste Generation übergeht, sollte dabei nicht vergessen gehen.»

Menschen und Geld gibt es in jeder anderen Familie auch, nur sind die Konstellationen und Lösungen bei den Unternehmerfamilien oft viel komplexer. Basis ist das Familienunternehmen oder allenfalls dessen Verkaufserlös. Dazu kommen selbst genutzte wie auch vermietete Immobilien in verschiedenen Ländern und substanzielle Geldvermögen.

Gemäss der Family-Office-Studie von UBS und Campden Wealth dominieren in den Familienvermögen Anlageklassen ohne regelmässige Handelbarkeit: Private Equity (durchschnittlich ein Fünftel des Totals), Immobilien (ein weiteres Fünftel), HedgeFunds (5%-Anteil) sowie Rohstoffe und weitere Realwertanlagen (3%-Anteil). Auf kotierte Instrumente am Aktien- und Zinsmarkt entfallen lediglich 28 bzw. 16% der Familienvermögen. Dieser Vermögensmix erbrachte 2017 eine Performance von 15,5%. In den Vorjahren wurden Durchschnittsresultate zwischen 0,3 und 8,5% registriert. Mit einer Family-Office-Struktur haben alle Direktbeteiligten denselben Wissensstand. «So kann die Familie besser mit internen Konflikten umgehen und im Erbfall eher ein Fait accompli vermeiden, der die Familienmitglieder auseinandertreiben könnte», resümiert Jorge Frey von Marcuard Family Office. Priorität hat, den Reichtum zu bewahren. Nicht selten liessen sich unterschiedliche Haltungen und Interessen nur mehr schwer überbrücken, erläutert ein Manager eines anderen Multi-Family-Office. Wie können Geschwister beteiligt und motiviert werden, wenn nur eines der Kinder am Familienunternehmen interessiert ist? Wie kann das Geldvermögen der Familie parzelliert werden, wenn die ältere Generation in Kunst, die jüngere aber inVenture Capital investieren möchte und beide nichts vom jeweils anderen halten?

Indexanlagen nicht ohne

Daniel S. Aegerter bündelt seit dem Verkauf einer selbst aufgebauten Internetfirma den Erlös als neu entstandenes Familienvermögen in der Armada Investment. Er beschreibt, wie in begüterten Unternehmerfamilien oft zur Debatte steht, ob «die Familie für die Firma oder die Firma für die Familie» da sein solle. Dank des Erfolgs als Entrepreneur hängt sein Herz an unternehmerischen Investments in Form von Start- und Venturefinanzierungen. Solches privates Kapital bzw. Private Equity ergänzt Aegerter mit Anlagen an den Aktienbörsen: «Wir haben oft richtig gewählt und profitabel investiert, sind aber in einigen Fällen rückblickend zu früh ausgestiegen.» Er bringt gar Argumente vor für die vergleichsweise banale indexorientierte Aktienanlage: «Hätten wir das von Beginn weg gemacht, wären wir im Höhenflug der Amazon-Aktien dabeigewesen, gegen die wir uns als Einzelanlage wegen der hohen Bewertung stets sträubten.» Begüterte Familien suchten nach dem Berater und Mittler, der «ohne eigene Anlageprodukte ins Spiel zu bringen bedingungslos auf der Seite des Kunden steht», sagt Albert Konrad vom Family-Office-Dienstleister Kehrli & Zehnder . Die betuchte Klientel verlangt nach vorteilhaften Investments. In der aktuellen Marktsituation könnten Hedge Funds mit aktiv gehandelten Long/Short-Positionen die passende Wahl sein, meint er.

Den Extranutzen finden

Anstelle üblicher Zinsanlagen in Obligationenform propagiert Konrad direkte Darlehen über den Privatmarkt, bspw. mit diversifizierten Leasing- oder Factoringportfolios. «Solche Geldanlagen sind nicht täglich liquid handelbar, aber dafür korrelieren ihre Preise wenig mit den hauptsächlichen Zins- und Aktienmärkten.» Dem Ziel, in beinahe jedem Marktumfeld eine positive Rendite in Aussicht zu stellen, würden auch strukturierte Aktienprodukte dienen. «Weil Standardprodukte oft sehr hohe Kosten enthalten, bauen wir zusammen mit einem Dienstleister selbst passende Konstrukte», beschreibt der Family-Office-Teilhaber. Da Informationen heute für alle überall und sofort verfügbar sind, müssen Family-Office-Dienstleister ihrer Kundschaft den Durchblick verschaffen und das grosse Ganze unter Kontrolle halten. Oft sind es Ex-Banker, die für sich die überschaubare Spezialistenstruktur gegenüber der Grossorganisation vorziehen. Als Berater bewähren sie sich, wenn sie das Kundenvertrauen geniessen und doch die gebotene Distanz halten.

Im Überfluss

Zeitmagazin – Alard von Kittlitz

Der russische Multimillionär Vitaly Malkin kann sich kaufen, was immer er will – und macht das auch. Er will der Welt aber einmal mehr hinterlassen als nur Geld. Ein seltener Einblick in das Leben eines Superreichen. Von Alard von Kittlitz

Einmal, gegen Ende unserer gemeinsamen Reise schon, in Monaco, will Vitaly Malkin mir in seiner Wohnung plötzlich die sogenannte Icaros-Maschine vorführen. Es handelt sich um ein massives, weiß lackiertes Fitness-Gerät, Malkins Diener muss das Ding im Heimkino aufbauen, der Herr demonstriert dann selbst, wie es funktioniert. Er balanciert bäuchlings auf dieser Maschine, einer Art wackeligen Plattform auf einem Gestell, und setzt sich eine 3-D-Brille auf die Augen. Es beginnt vor seinen Augen dann offenbar eine Simulation, Malkin steuert darin ein Fluggerät, indem er auf der Plattform vorsichtig sein Gewicht verlagert. Neigt er sich nach links, macht der Flieger eine Linkskurve, neigt er sich nach hinten, steigt er auf, und so weiter.

Die Sache scheint mordsanstrengend zu sein. Schon nach wenigen Sekunden auf seiner grotesken Maschine ächzt und flucht Malkin zwischen zusammengebissenen Zähnen auf Russisch. Schweißperlen bilden sich auf seiner Stirn, bald zittert der ganze Körper. Er keucht. Neben ihm steht sein Diener und betrachtet die Szene mit unverhohlener Bewunderung.

So ist das also. Da stehe ich in dieser immensen, vergoldeten Glitzer-Wohnung, hoch über den Dächern von Monaco und mit Blick auf das blaue Mittelmeer. Vor mir knechtet sich der Protagonist meiner Geschichte auf einer 9.000 Euro teuren, seltsamen Foltermaschine, ohne dass ich genau verstehe, warum, aber wahrscheinlich, um mir ein Vergnügen zu bereiten.

Vitaly Malkin, 66 Jahre alt, ist ein sehr, sehr reicher Herr aus Russland. Ganz früher einmal war er Physiker, dann brach die Sowjetunion zusammen, da wurde er Bankier und verdiente in wenigen Jahren Hunderte von Dollarmillionen. Später, 2004, ernannte man Malkin zum Senator der Republik Burjatien, fast zehn Jahre blieb er das, bevor er 2013 Privatmann und endlich, vor Kurzem, Buchautor wurde. Malkins erstes Buch heißt Gefährliche Illusionen, ist gleichzeitig in fünf Sprachen erschienen und eine Kampfschrift gegen Religion. Der Autor wünscht sich, dass über das Buch gesprochen und berichtet wird, deshalb erklärt er sich dazu bereit, dass ich ihn für ein paar Tage in seiner Welt besuchen darf – in einem Leben und einem sozialen Umfeld, das normalerweise hinter hohen Zäunen, jenseits der Vorstellung der weniger betuchten Menschheit stattfindet. Unterwegs mit und nah dran also an einem philosophierenden russischen Superreichen in Moskau und Monaco, schauen, wie so ein Mensch lebt und tickt, Einblick in einen anderen Kosmos, das ist die Abmachung.

Landung am frühen Abend am Moskauer Flughafen Scheremetjewo. In der belanglosen Ankunftshalle kurzes Warten auf Robert Eberhardt, Malkins deutschen Verleger, der ein bisschen später landet und auf der gesamten Reise dabei sein wird. Eberhardt, ein Thüringer, erscheint mit Hornbrille, Blazer und heller Hose, ordentlich, adrett, ein sehr ehrgeiziger, noch ganz junger Mann, keine 30. Sein Wolff-Verlag publiziert eher Kulturgeschichtliches für Liebhaber. Malkin ist ein Ausnahmeautor, für die Veröffentlichung seines Buches hat der Verleger Geld vom Autor bekommen, nicht umgekehrt.

Wir werden abgeholt, da steht ein breitschultriger, kurz geschorener Kerl mit wenig Mimik, Typ Ex-Militär, und hält ein Schild in der Hand: „Robert Ederhardt“. Unser Fahrer. Auf dem 60-sekündigen Weg zwischen Flughalle und Parkhaus schafft er es, eine ganze Zigarette runterzurauchen.

In einem schwarzen Ford geht es nun zum Landhaus von Herrn Malkin. Die Fahrt durch das Peripherie-Moskau dauert ewig, vier- bis fünfspurig schleppt sich der Verkehr über die Autobahn. Der Himmel ist groß und grau, draußen ziehen riesige Hochhaussiedlungen vorbei und fantastisch glitzernde Malls, dazwischen bemerkenswert viele Autohäuser.

Irgendwann doch die Ausfahrt, plötzlich sind wir in der Natur, der Fahrer drückt aufs Gas, wir rauschen durch hübsche Birkenwälder und über neblige Wiesen, auf denen riesige, gespenstisch weiße Blumen wachsen. Endlich vor uns eine Schranke mit Wärterhäuschen, ein schläfriger Typ in Flecktarn lässt uns durch, wir fahren nun durch eine gepflegte Parkwelt mit grünem Rasen, schwarzem Asphalt und Häuserdächern hinter gestutzten Hecken. Es handelt sich um eine Gated Community, in der, wie wir später erfahren, hauptsächlich sehr hohe Beamte und verdientes Personal der Ära Jelzin leben.

Wir gelangen an ein Tor, getragen von zwei Obelisken aus Basalt, das Tor öffnet sich, vor uns, auf einem sanft sich aufschwingenden Hügel liegend, ein großes Herrenhaus des 19. Jahrhunderts mit Blick über Teich und Wälder. Am Eingangsportal wartet zwischen ein paar Dienern bereits der Hausherr, Vitaly Malkin. Ein eher kleiner Mann, Halbglatze, in Poloshirt und Khakis, sein Englisch mit schwerem russischem Akzent. Handschlag, er mustert mich kurz, dann, gleich als Erstes, kleine Führung über die Latifundie. Malkin redet, wir folgen, er weist auf eine Messingplakette hin, auf der zu lesen steht, dass Lenin dieses Haus besuchte und seine Witwe darin lebte. Es geht außen über eine sehr große, schöne Veranda in ein neu gebautes Pool-Haus, der Pool still und unbewegt. Malkin ist, erfahren wir, bloß Mieter hier, sein Eigenheim nebenan wird derzeit renoviert. Gerne, sagt Malkin, hätte er uns dort die Tennishalle gezeigt, 16 Meter hoch sei die Decke, eine Anlage, in der Profimatches gespielt werden könnten. Er selbst spiele allerdings kein Tennis.

Das Mietshaus sieht von innen so aus wie alle Häuser, die ich von Malkin noch sehen werde, glitzernd, glänzend, spiegelnd, poliert; golden, silbern, marmorn, pastellig; ausladend, barock. Es liegt Spielzeug für Erwachsene herum, ein Segway, eine Drohne, zu sehen ist auch ein aus Monaco mit angereistes, teures Tier, eine haarlose Pharaonenkatze. Malkin zeigt uns das Untergeschoss, ab und an begegnet man einer Dienstkraft, ansonsten wirkt das Haus leblos. Vor der geschwungenen Treppe ins Obergeschoss allerdings stapeln sich kleine und große Sportschuhe, Nike, Gucci und Balenciaga, hier machen wir halt. Das obere Stockwerk ist das Reich der jungen Freundin von Malkin und der drei gemeinsamen Kinder im Alter von eins, zwei und fünf. Dieser Teil wird nicht gezeigt.

Es gibt Abendessen. Im Speisezimmer setzt sich Malkin an den Kopf des riesigen Esstisches, die Köchin fährt auf, dem Verleger und mir wird ein Dinner gereicht von kaltem, eingelegtem Aal in verschiedenen Ausführungen, dazu Salat, Schwarzbrot, Obst, eine Käseplatte, dies sind die Vorspeisen. Malkin selbst rührt wenig an, rät aber eifrig zum Kosten von diesem und jenem. Es folgen Fasan, Apfelstrudel, Kaffee und Konfekt. Zu trinken gibt es Wasser und einen schweren Saint-Émilion.

Vorsichtige erste Unterhaltung über Moskau, Vergangenheit und Gegenwart, Malkin redet allein, wie ein Senator, gewohnt, dass die Leute zuhören. Die Stadt, erklärt er, sei in den Neunzigerjahren, als er ein großer Mann wurde und der Systemwandel stattfand, viel wilder gewesen, um drei Uhr morgens habe man eine Harley-Davidson kaufen können, wenn einem der Sinn danach gestanden habe, und ein paar der besten Restaurants hätten 24 Stunden am Tag aufgehabt, sieben Tage die Woche, Foie Gras und Schampus zum Katerfrühstück. Er selbst habe leider nicht viel mitgekriegt von dem Exzess und der Feierei, er habe ja immer nur geschuftet, nach der Arbeit habe er bei den Partys mal zehn Minuten hereingeschaut in Anzug und Schlips, dann, sagt er, sei er immer nach Hause, ins Bett.

Wir wohnen in Malkins eigenem Haus, in dem, das nebenan liegt und gerade renoviert wird, es sind eigentlich mehrere Häuser, seltsame, glatte Kästen wie aus Lego, durch ein Netzwerk unterirdischer Tunnel verbunden, damit man im Winter nicht immer die Jacke anziehen muss auf dem Weg von A nach B. Im Trakt, in dem wir wohnen, finden gerade keine Bauarbeiten statt. Zwei Haushälterinnen in schwarzem Kleid und weißer Schürze führen uns durch polierte Flure auf unsere Zimmer, frisch geschnittenes Obst steht auf den Tischen, staubige Bildbände in den Regalen, scheußliche, billige Kunst hängt an den Wänden. Das Haus ist riesig und tot.

Wir werden zum Frühstück abgeholt in einem anderen Auto, einem Lexus-SUV, und zu Malkin gefahren. An der Tür begegnen wir Nastya, Malkins Assistentin, mit der er an dem Buch gearbeitet hat. Nastya ist keine 30, verheiratet mit einem Spitzenkoch, hat in Paris Philosophie studiert an einer Grande École. Sie bringt uns ins Pool-Haus, Malkin zieht dort gerade seine Bahnen, wir dürfen zuschauen, bevor er dampfend dem Becken entsteigt, die Schwimmbrille ablegt, Handschlag, dann verschwindet er im Bademantel, um wenig später in einem grellweißen Lacoste-Trainingsanzug wieder am Frühstückstisch zu erscheinen. Es gibt Blinis, Porridge, Brot, Pfannkuchen, Obst, Kompott, Aufschnitt.

Am Tisch sitzen außer Eberhardt, Nastya und mir heute noch zwei weitere junge Frauen. Eine, die in diesem Artikel nicht namentlich erwähnt werden mag, sie ist aber genau wie Nastya eine in Paris studierende russische Spitzenakademikerin und ebenfalls angestellt als Assistentin für Malkins Schreibarbeit. Außerdem zugegen: die russische Verlegerin aus St. Petersburg. Man will die bevorstehende Veröffentlichung der russischen Ausgabe von Gefährliche Illusionen besprechen. Malkin will mit den Frauen die bisherigen Rezensionen in Zeitungen und Internet diskutieren und verstehen, was am Buch noch verbesserungswürdig ist, bevor er es in seiner Heimat in die Läden bringt.

So macht er das, an Büchern arbeiten. Das geht generalstabsmäßig, er hat eine Idee, delegiert Recherchearbeiten, lässt sich zu Fragen, die ihn beschäftigen, Lektürelisten zusammenstellen, diskutiert seine Gedanken und Ergebnisse mit den klugen Sparringspartnerinnen, schreibt auf, diskutiert abermals. Er arbeite grundsätzlich lieber mit Frauen, sagt Malkin, die seien schlauer, direkter als Männer, stärker auch. In Malkins Reden über Frauen schwingt stets ein Hauch von Gönnerhaftigkeit mit, er hat, scheint mir, kein sehr zeitgenössisches Frauenbild, beziehungsweise er glaubt halt, dass Männer so und Frauen so seien, dass die Natur da viel schwerer wiege als die Kultur. Er findet, es werde gegenwärtig zu viel rumdiskutiert über Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe und so weiter, früher, als weniger Aufhebens gemacht wurde, sei manches besser gewesen. Vielleicht wenig überraschende Ansichten eines älteren, reichen Mannes.

Wie reich ist er eigentlich? Gute Frage, sagt Malkin. Das, was auf Wikipedia stehe, geteilt durch zwei. Das würde bedeuten: rund 425 Millionen Dollar. Allerdings, sagt Malkin, sei das nicht so leicht zu quantifizieren. Was ist sein Immobilienbesitz zum Beispiel wert, seine Privatwohnungen in New York, Paris, Moskau, Tel Aviv, Wien? Wie viel das Chalet in Courchevel? Ein andermal sagt er, mehr als 20 Millionen Dollar im Jahr brauche kein Mensch, einmal im Jahr habe man Geburtstag, da lade man Sting oder Madonna für die Musik ein, sonst seien da doch keine großen Ausgaben.

1952 wurde Malkin in eine jüdische Familie geboren, aus der Ukraine stammend, aufgewachsen ist er östlich des Urals. Er ist Einzelkind. Der Vater, Ingenieur, ist überzeugter Kommunist. Vitaly fängt schon als Kind an, das System zu hinterfragen, später, als Student, hasst er es offen, verachtet die Sowjetunion, verehrt Amerika, Neil Armstrong statt Juri Gagarin, auch eher Martin Luther King als Alexander Solschenizyn. Die Unfreiheit des Denkens, die Verlogenheit der Propaganda in der Sowjetunion, all das findet er unerträglich. Als Junge liest er wie verrückt, seine Mutter hat eine umfassende Bibliothek der europäischen Literatur, die arbeitet er durch.

Wo diese Bibliothek eigentlich sei, fragt Malkin sich dann auf einmal laut. Später werde ich denken, dass Malkin irgendwie eigentlich nichts besitzt. Alles um ihn herum gehört und gehorcht ihm zwar, aber nichts hat etwas Persönliches, Bewohntes, Gelebtes, nichts scheint alt, geliebt, geschätzt, er wirkt wie ein steter Gast in seinem eigenen Leben.

Als Jugendlicher hört Malkin auf zu lesen und widmet sich den Zahlen, er kommt auf eine Begabtenschule für Mathematik und Physik, studiert, promoviert über die Dichte von Laserstrahlen, wird Dozent und Forscher. Wenn man Malkin fragt, was er vermisst aus dieser Zeit, dann sagt er: Nichts, und dann fällt ihm ein: Doch, wir hatten ja nichts außer Reden, Trinken und Vögeln, das war schön, man war die ganze Zeit im Gespräch und schnell im Bett miteinander, alles war einfacher.

1991 löst sich die Sowjetunion auf, aus dem einfachen Bürger Vitaly Malkin wird in wenigen Jahren der Bankier: 12.000 Angestellte, Privatjets, Assistenten, Meetings, Macht.

Er will über diesen Aufstieg nicht so viel erzählen. Nichts sei bemerkenswert gewesen, sagt er, das Spielfeld habe weit und offen vor ihm gelegen, ohne große Konkurrenz, ohne große Regularien. Er habe damals nicht reflektiert, was da so schnell aus ihm wurde, er habe einfach gearbeitet. Geld verdiente er zunächst mit dem Import von Computerteilen und Tastentelefonen, alle, behauptet Malkin, hätten das damals gemacht, was natürlich nicht stimmt. Er habe einen tollen Partner gehabt, sagt Malkin, der Mann hieß Bidsina Iwanischwili, später wurde der Premierminister von Georgien. Mit Iwanischwili gründete Malkin auch Rossiysky Kredit. Diese Bank ist inzwischen pleite und nicht so gut beleumundet, aber Malkin und Iwanischwili wurden reich mit ihr. Malkin sagt, vor allem durch eine Privatisierung in der Eisenerz-Industrie.

Es war, so viel sagt Malkin immerhin, der Wilde Westen. Es gab viele Prozesse gegen Malkin, er hat sie alle gewonnen, stets seine Unschuld beweisen können. Wenn man ihn nach den alten Zeiten fragt, erklärt er sie kurz und ungeduldig, als seien die Fragen naiv. 2004 steigt Malkin aus dem Bankgeschäft aus und wird Senator von Burjatien, einer Republik der Russischen Föderation tief im Südosten des Landes, an der Grenze zur Mongolei. Er wisse nicht mehr genau, warum, sagt er, Langeweile vielleicht oder genug Geld auf dem Konto. Als Senator ist er nicht oft in Burjatien, wird aber zweimal wiedergewählt. Er sei stolz auf das, was er dort geleistet habe, sagt Malkin, viele Milliarden habe er nach Burjatien geholt, Straßen, Theater, Stadien gebaut dort, am Rand des Reiches. Das Leben als Politiker sei spannend gewesen. Als 2013 ein Gesetz beschlossen wird, nach dem alle Senatoren ihren gesamten Auslandsbesitz offenlegen und im Zweifelsfalle verkaufen müssen, tritt Malkin wie viele Kollegen von seinem Amt zurück. Er ist seither Privatmann.

Wann wir denn über sein Buch reden würden, will Malkin nun wissen. Er wirkt ein bisschen genervt. Eberhardt und ich werden fortgeschickt, Malkin will arbeiten. Der Verleger und ich sollen so lange eine Rudertour auf einem kleinen Fluss in der Nähe machen. Wir werden nicht gefragt, ob wir das wollen. Noch mal ein neuer Chauffeur fährt uns zu einer Landestelle, davor ein gepflegtes Fußballfeld, die Kinder der Nachbarschaft kicken in Russlandtrikots, die Nannies stehen drum herum, schieben Kinderwagen, schauen in ihre Handys. Eberhardt und ich rudern, es ist schwül, wir sehen die Birkenwälder, magere Jungs, die von Stegen ins Wasser springen, die Ufer gehen steil nach oben, man hat uns hergefahren, abgesetzt, losgebunden, eigentlich wissen wir überhaupt nicht, wo wir sind, irgendwo bei Moskau ja wohl.

Zum Lunch, Bœuf Stroganoff, dürfen wir zurück. Kurz erleben wir am Tisch Malkins Freundin. Sie sieht aus wie eine Elfe, zart, porzellanen, alterslos, sie ist die Mutter von den drei kleinen Kindern und isst vorsichtig und langsam Salat und ein wenig Fleisch. Sie spricht während des Mittagessens kaum ein Wort mit Malkin, wirft ihm höchstens spöttische Blicke zu. 15 Minuten am Tag, sagt Malkin, verbringe er mit ihr in der Regel, am Abend, wenn der Tag bewältigt sei, stimmt’s, fragt er sie, aber die Freundin ist gerade auf Instagram unterwegs und antwortet nicht. Von seiner Frau, mit der er drei erwachsene Söhne hat, lässt Malkin sich gerade scheiden.

Reden wir nun also, hier am Tisch und dann auf der Fahrt in die Stadt rein, Malkin hat dort einen Arzttermin, über sein Buch. Es finden sich darin keine sonderlich bemerkenswerten Gedanken. Malkin listet all die Gründe gegen Religion auf, die vor ihm schon anderen eingefallen und von anderen aufgeschrieben worden sind. Interessant ist am ehesten noch das letzte Kapitel, Malkin schreibt darin über Masturbation, dieses schlichte, stets verfügbare Gratis-Vergnügen des menschlichen Körpers, und erzählt dann, wie aus der unschuldigen Sache eine Sünde, etwas Schlechtes, Verbotenes, etwas Schambehaftetes wurde. Religion ist für ihn etwas, das den Menschen deformiert, verstümmelt, entstellt, und es ist Malkins Wunsch, dass der Mensch sich selbst doch bitte schön liebevoller, einsichtsvoller und nachsichtiger behandeln sollte, als manches Dogma es ihm nahelegt. Er wünscht sich den Menschen frei von Schuldgefühlen, das Leben soll genossen werden.

Gefährliche Illusionen ist dabei nur das erste Buch von vielen, die Malkin noch schreiben will. Eins über das Geschlechterverhältnis soll noch kommen, eines über Monogamie, das nächste, an dem arbeitet er bereits, beschäftigt sich mit der Beschneidung von Männern und von Frauen. Wir sitzen beim Abendessen, als Malkin zum ersten Mal über dieses, sein Herzensthema berichtet. Das Dinner findet, anders als ursprünglich geplant, nicht in einem schicken Gourmet-Restaurant statt, sondern in einem Yuppie-Restaurant im Herzen von Moskau. Malkin war beim Arzt, danach hat er beschlossen, dass er keine Lust darauf hat, stundenlang an einem Tisch zu sitzen und auf den siebten Gang zu warten. Er mag fine dining nicht besonders, er empfindet das als Zeitverschwendung. Also geht es in einen pseudoorientalischen Grill, Malkin bestellt sich Lamm und trinkt Rioja.

Malkins Beschäftigung mit Beschneidung begann auf einer Ägyptenreise 2009, als ihm sein Reiseführer erklärte, dass viele der auf Malkin so modern wirkenden Frauen in Ägypten beschnitten seien. Malkin, der, ich glaube, man darf das sagen, vielleicht auch einfach ein besonders zärtliches Verhältnis zu diesem Teil der weiblichen Anatomie hat, war schockiert. Er wusste zuvor nicht, dass es diese Praxis überhaupt gibt, oder zumindest nicht, dass sie so weit verbreitet ist. 2014 gründete er seine Fondation Espoir, eine Stiftung, die gegen die Verstümmelung von Frauen in Äthiopien kämpft.

Malkin zeigt mir auf seinem iPad Fotos vom Resultat einer Prozedur, die sich „Infibulation“ nennt und der in dem Teil Äthiopiens, in dem seine Stiftung arbeitet, praktisch jedes Mädchen unterzogen wird. Die Bilder sind unerträglich, die ganze Prozedur ist eigentlich unvorstellbar, es ist eine entsetzliche Zerstörung des weiblichen Geschlechtsorgans. Vielleicht ist Beschneidung die Kulturtechnik, in der am eindrücklichsten wird, wie religiöse Überzeugungen den Menschen deformieren können, aus Frauen Krüppel, aus Männern Monster machen. Unterdessen, da bleibt Malkin dann doch auch sehr er selbst, hält er die Beschneidung von Männern für kaum weniger schlimm als die von Frauen. Er will eine medizinische Studie in Auftrag geben, in der untersucht werden soll, ob Männer ohne Vorhaut weniger lustempfänglich sind als Männer mit Vorhaut.

Fünf Millionen Euro hat Malkin bereits in die Stiftung gesteckt, es soll noch mehr Geld werden, er will Mitstreiter werben demnächst. Wenn er über dieses Thema spricht, kocht eine leise Wut in ihm, dann kommt ein leises Zittern in seine Stimme. Er verachtet diese Sache. Er hasst sie.

Es ist dies unterdessen kein Thema, bei dem sich gut essen lässt, es wird also eher getrunken und dann irgendwann ein bisschen erschüttert geschwiegen, bevor ich Malkin wieder ein paar Fragen zum Thema Reichtum stelle: Was ist Luxus? Keine Ahnung, sagt Malkin, und dann: Vielleicht, wenn man dafür bezahlen kann, dass das eigene Buch in fünf Sprachen gleichzeitig erscheint. Macht Geld glücklich? Eher nein, sagt Malkin. Die meisten reichen Menschen, die er kenne, seien schrecklich angespannt, schrecklich nervös, furchtbar gestresst, dächten die ganze Zeit nur über Geld nach. Malkin wirkt auf einmal sehr weich, ein bisschen angeschlagen fast. Sind Sie einsam, Herr Malkin? „Ja“, sagt Malkin, „schon. Manchmal fühle ich mich sehr einsam.“ Gibt es denn niemanden, der schon immer da war, alte Freunde, Leute, die den echten Vitaly kennen? „Sehr viele der alten Freunde haben irgendwann um Geld gebeten“, sagt Malkin. „Manchen habe ich welches gegeben. Das ist eine traurige Geschichte. Ich habe eigentlich“, sagt er dann, „niemanden, mit dem ich wirklich richtig reden kann. Ich fühle mich manchmal depressiv.“

„Du, depressiv?“, sagt Nastya, die diesen Teil des Gesprächs überhört hat. „Niemals!“ – „Aber ich fühle mich manchmal depressiv.“ – „Du bist nicht depressiv, du bist höchstens traurig!“ – „Wirklich?“ – „Na klar, depressiv heißt, dass du überhaupt nichts mehr willst!“ – „Ah“, macht Malkin. „Dann also prost.“

Am nächsten Morgen stehen wir sehr früh auf und fahren alle zum Flughafen. Die Reise geht nach Monaco, Malkins Lebensmittelpunkt seit etwa vier Jahren, seine Freundin, sagt Malkin, habe dort leben wollen. Im Auto liest er lustlos Zeitungen, telefoniert. Er hat keine entgangenen Anrufe auf dem Telefon, aber über hundert Nachrichten in einer WhatsApp-Gruppe von Geschäftsleuten, die sich blöde Videos und Witze und Bilder von nackten Frauen schicken. Er telefoniert mit einer Assistentin in Luxemburg und überlegt, wo er nach Monaco hinsoll. Wandern in Andorra, in den Dolomiten vielleicht? Er hat nichts vor, er ist frei, er kann es sich leisten, er gehört nirgends hin.

Wir fliegen Holzklasse. Seine Privatflugzeuge hat Malkin alle verkauft, als der Markt für diese Art von Besitz vor einer Weile zusammenbrach, so ein Flieger sei auch wirklich nicht mehr nötig, sagt Malkin, wobei die kleinen Jets viele Vorteile hätten, sie flögen zum Beispiel so niedrig, dass man keine Thrombose zu befürchten habe, und der Blick aus dem Fenster sei besser. Malkin ist, das sagen auch seine Angestellten, keiner, der sein Geld verprasst oder gleichgültig wäre seinem Vermögen gegenüber.

Malkin behauptet, er fliege oft Economy, allerdings müssen seine Diener für ihn die Koffer abgeben, da bleibt er in seinem Mercedes-SUV sitzen, solange die in der Schlange stehen, und später behauptet Malkin, dass die Plätze doch irgendwie enger seien als sonst, was Quatsch ist. Tatsächlich gibt es im Flieger einfach keine Business- oder First-Class-Plätze.

In der Hitze von Nizza wartet ein gekühlter Maybach mit weißen Ledersitzen, surrendem Verdeck, kalten Wasserflaschen, Malkins Privatfahrzeug. Viel besser als ein Rolls, sagt er, und viel günstiger. Wir gleiten über die Autoroute nach Monaco. Überall verrückte Karren, Ferraris im Schritttempo. Malkin hat hier eine 600 Quadratmeter große Wohnung gemietet, niemand kauft in Monaco, sagt er. Sein Wohnturm hat ein eigenes Spa und eine große Tiefgarage, in der Malkins Fuhrpark steht, der Maybach, ein Ferrari, den nur seine älteren Söhne fahren, Malkin selbst fährt in Monaco am liebsten seinen Renault Twizy, ein kleines Einsitzer-Elektroauto.

Die Wohnung ist voller metallener Säulen und versteckter Leuchten und spiegelnder Oberflächen. Es liegen ein paar ausgestopfte Krokodile herum, ein nackter Frauentorso aus Glas ziert einen Tisch, es gibt weite, offenbar ungenutzte Sitzlandschaften, einen Flügel, eine Fotowand mit professionell aufgenommenen Familienporträts. Malkin führt sein Gym vor, die drei riesigen, mit Spielzeug vollgestopften Kinderzimmer mit Blick über Monaco und jeweils eigenem Wannenbad, die winzigen Kammern der Nannies, das Heimkino, das Esszimmer, in dem die Familie die meiste Zeit verbringt und in dem es, ausnahmsweise einmal, menschlich, unaufgeräumt, lebendig aussieht. Malkin findet vieles an der Wohnung Quatsch und manches schade. Wir nutzen nie diesen tollen Balkon, sagt er, wir sitzen nie in dem Wohnzimmer, das ist alles nur Unsinn. Dann klatscht er auf einmal in die Hände, ihm fällt etwas ein, und er lässt, bessere Laune nun, die Icaros-Maschine aufbauen.

Mittags hat Malkin eine Signierstunde im Fnac, einem gesichtslosen Medien-Shop in einer Shoppingmall, der neben den neuesten Playstation-Spielen auch ein paar Bücher führt. Da ist ein Pult aufgebaut mit Malkins Buch, die französische Ausgabe hat eine kleine Binde mit einem lobenden Zitat darauf von dem französischen Intellektuellen Frédéric Beigbeder. Malkin und Beigbeder sind miteinander gut bekannt, angeblich ist Malkin sogar das reale Vorbild für eine Figur in Beigbeders Roman Au secours pardon.

Im Fnac ist es bedrückend, Malkin steht neben dem Signierpult, es erscheinen vielleicht vier, fünf Leute, die eine Unterschrift wünschen. Das übrige Publikum sind fünf puppenhafte Frauen, Freundinnen seiner Freundin. Malkin schwitzt und sucht die Nähe seiner Entourage, erzählt den Frauen einen albernen Witz. Sein Diener blättert in Kinderbüchern.

Nachmittags rennen wir durch den Kaktusgarten von Monaco, den Malkin unbedingt zeigen wollte, er wirkt wie getrieben. Was für tolle Kakteen, diese hier zum Beispiel oder diese, sagt Malkin, ohne stehen zu bleiben. Irgendwas stimmt nicht. Wir fahren weiter nach Èze, einem mittelalterlichen Dorf an der Côte d’Azur, Malkin bleibt am längsten auf dem Friedhof.

Dass etwas von ihm bleibe, hat er mir in Moskau noch gesagt, das wünsche er sich. Nicht sein Name, der sei gleichgültig, und tatsächlich wollte er seine Bücher anfangs anonym veröffentlichen, aber alle Verleger meinten, wenn wir sagen, wer du bist, wird es mehr Leute interessieren. Bestimmt richtig. Aber ein Erbe hinterlassen jenseits des Geldes, das wünscht sich Malkin. Mit seiner Stiftung, mit seinen Gedanken. Ein bisschen die Welt besser machen, jetzt, wo die großen Rennen gelaufen sind, vielleicht noch auf eine ganz andere Art etwas bewegen?

Abends lädt Vitaly Malkin den Verleger, Nastya, eine weitere Assistentin und mich in ein neues Ceviche-Restaurant an der Bucht von Monaco ein. Der Laden ist riesig, loungig, clubbig, die Männer tragen alle Jackett, die Frauen alle Cocktailkleider, die Frauen sehen auch alle ganz unglaublich aus, wie Menschen, die den Tag bloß in Gym, Boutique und Salon verbringen. Ich sehe Angela Ermakowa, Boris Beckers Besenkammerbekanntschaft, sowie deren gemeinsame Tochter durch den Laden laufen, an solchen Orten trifft man solche Leute. Als es ein Feuerwerk über dem Hafen gibt, filmen alle mit ihren Handys, Wahnsinn, Feuerwerk.

Malkin sitzt und trinkt Rotwein, genießt das Ceviche, redet über seine Projekte, redet über Frauen, über Trieb, Beischlaf, Liebe. Liebe sei das Größte. Dann komme Macht. Dann komme Denken. Das seien die besten Dinge. Aber die Liebe bleibe nicht, sagt er. Und Macht, denke ich, hat er kaum noch. Ich weiß nicht, wie bewusst ihm in solchen Momenten wird, dass er da im Grunde über das Verschwinden der schönsten Dinge aus seinem Leben spricht. Er wirkt in diesem Moment jedenfalls nicht bedrückt deswegen.

Nach dem Dinner treten wir vor die Türe und werden Zeugen einer grandiosen Performance. Gleich neben dem Restaurant liegt das Jimmy’z, Monte Carlos größter, wichtigster Club. Es ist etwa 23 Uhr, Samstagabend, und man fährt vor. Da steht eine lange Schlange von Lamborghinis, Porsches, Rolls-Royce, Ferraris, und immer steigt auf der Fahrerseite ein Mann beliebigen Alters aus und auf der Beifahrerseite eine sehr junge Frau oder manchmal auch zwei oder drei Frauen, und die Frauen sind wirklich sehr zurechtgemacht, und keine ist dick. Es ist hypnotisch. Malkin möchte nun, dass wir ins Jimmy’z gehen. Er geht zum Türsteher, redet ein paar Sekunden mit ihm, und dann werden wir, hässlich, arm, underdressed, gnädig reingewinkt.

Was willst du trinken, fragt mich Malkin, der nun wieder sehr aufgeräumt, fröhlich wirkt. Bier?, frage ich, weil ich Lust habe auf ein Bier. Malkin schüttelt unwillig den Kopf. Komm schon, Mann, lass uns ein bisschen Geld ausgeben, sagt er. Wir bestellen Champagner.

Vitaly Malkin steht im Jimmy’z, ein Glas Champagner in der Hand, umgeben von schönen jungen Frauen, die Musik ist laut, die Nacht ist lau. Kennst du, fragt er über den Lärm des Geredes und der Bässe hinweg, die Geschichte von Eulenspiegels Beutelchen? Als Eulenspiegel ein Kind war, wurde vor ihm sein Vater auf dem Scheiterhaufen verbrannt wegen Ketzerei. Der kleine Eulenspiegel ist danach zu dem Haufen Glut und Asche gegangen und hat ein Beutelchen mit Asche gefüllt und sich um den Hals gehängt. Später, als er schon ein Mann ist, fragt jemand den Eulenspiegel: Warum regst du dich so auf, warum kämpfst du so, warum lässt du niemanden in Ruhe? Und Eulenspiegel antwortet: Die Asche in meinem Beutelchen ist immer noch heiß, und sie brennt auf meinem Herzen. So, sagt Vitaly Malkin, geht es mir, wenn ich an die Beschneidung der jungen Frauen denke.

Für einen Moment sieht er furchtbar zornig aus. Dann stürzt er sein Glas Champagner hinunter und geht tanzen. Irgendwann in den nächsten Tagen will er in die Dolomiten reisen oder nach Andorra oder an den Gardasee oder in die Türkei oder nach Mauretanien.

Spass am Auf und Ab der Börse

NZZ – Eugen Stamm

Geldanlage ist nicht nur ein analytisches, sondern auch ein emotionales Thema – und ein zuverlässiger Weg, langfristig Wohlstand aufzubauen.

Der Angestellte der Zürcher Kantonalbank am Schalter war sicher irritiert, liess sich aber nichts anmerken. Da stand ich schon wieder vor ihm, ein Teenager, und erteilte ihm einen Börsenauftrag zum Verkauf von fünf Aktien der Hero-Konservenfabrik Lenzburg. Einige Wochen früher hatte ich sie gekauft, ebenfalls bei ihm am Schalter – das Internet war damals noch nicht, was es heute ist. Der Kurs hatte sich leicht positiv entwickelt. Jeden Morgen entriss ich den Eltern den Börsenteil der Zeitung und verfolgte die Entwicklung. Nun wies mich der Herr im Anzug höflich darauf hin, dass nach Abzug der Gebühren ein Gewinn von nur etwa 60 Fr. resultieren würde, eine Lappalie also. Ich war begeistert. Verkaufen! Auf dem Heimweg fühlte ich mich, als hätte ich Zaubern gelernt. Geld lässt sich aus dem Nichts erschaffen! Man muss eben nur wissen, wie. Der russische Salat in der Dose, der bei uns im Küchenregal stand, war von Hero. Darum war das einer der wenigen Namen auf der Börsenseite, die ich überhaupt kannte.

Geduld ist gefragt

«Investieren sollte mehr so sein, wie Farbe beim Trocknen zuzuschauen», sagte der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Samuelson einmal. Wer Aufregung wolle, solle nach Las Vegas gehen. Samuelson hatte schon recht; Geduld ist wichtig. Denn nach meinem Verkaufseifer musste ich mit wachsendem Unbehagen mit ansehen, wie der Kurs von Hero unbeirrt weiter stieg. Also rechnete ich mir nun täglich vor, wie viel Gewinn mir entgangen war – eine schmerzhafte erste Lektion. Es sollte nicht die letzte sein. Die Börse ist eine strenge Lehrerin, sie zeigt einem immer wieder, wie dumm man eigentlich ist.

Anders als Samuelson kann man aber der Meinung sein, dass Investieren durchaus aufregende Seiten hat. Geld bewegt die Welt, deswegen lohnt es sich, mehr darüber zu lernen. Wirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen, Ertrags- und Kostentreiber eines Unternehmens und einer Industrie richtig einzuschätzen, sei faszinierend, sagt Christine Schmid, Leiterin Investment Solutions bei der Grossbank Credit Suisse. Ein breiter Teil der Bevölkerung dürfte das allerdings anders sehen. Viele sind der Überzeugung, dass Finanzanlagen zu kompliziert sind oder nur Wohlhabende etwas angehen. Also parkieren sie ihr Kapital auf dem Sparkonto. Gemäss Umfragen besitzt nur etwa ein Fünftel der Schweizer Bevölkerung Aktien. Hauptgrund ist offenbar mangelndes Wissen, noch vor der fehlenden Zeit.

Dabei ist der wichtigste Grundsatz so einfach, dass ihn jeder Teenager versteht: Geld kann man investieren oder ausgeben. Investieren heisst, Vermögenswerte zu kaufen, deren Wert langfristig steigt, also etwa Aktien. Als Aktionär wird man Eigentümer eines Unternehmens. Wenn es sich gut entwickelt, profitiert man. Mit einer Aktie des Technologiekonzerns Apple verdient man an jedem verkauften neuen iPhone mit. «Als Investor ist man am Wirtschaftsgeschehen und an der Entwicklung von Unternehmen unmittelbar beteiligt», sagt Anton Simonet, Leiter Wealth Management Schweiz bei der Grossbank UBS. Seine ersten Investitionen waren Schweizer Aktien, von denen er einige heute noch hält.

Viele verstehen den Unterschied zwischen Konsum und Vermögenswerten nicht. Eine Erklärung liefert beispielsweise Robert Kiyosaki im Bestseller «Rich Dad Poor Dad». «Ich habe in ein neues Auto investiert», hört man die Leute sagen, oder in eine Stereoanlage oder in eine teure Uhr oder sonst etwas. Das so zu sagen, ist falsch. Denn ein Auto ist ein Konsumgut, keine Investition; es wirft nichts ab, sondern kostet nur. Wer andauernd auf Instagram zeigen muss, was er hat, bleibt arm, denn echte Vermögenswerte sind nicht fotogen. Der Rapper Ice-T fordert im Lied «Rap Games Hijacked»: Statt mit Goldkettchen herumzurennen, solle man in Immobilien investieren – ein durchaus vernünftiger Ratschlag.

Verantwortung übernehmen

Aktien oder auch Anlagefonds, die auf Aktien oder Immobilien setzen, eignen sich nicht zum Angeben. Die Freude an ihnen muss also irgendwo anders herkommen. Aber woher? Jörg Allenspach, Chef des Vermögensverwalters Candriam Schweiz, weist darauf hin, dass Geld anlegen auch heisst, Verantwortung dafür zu übernehmen, was man unterstützen will. Man kann sich also negativ entscheiden und sich sagen, ich würde nie in ein Unternehmen investieren, das dies oder das macht; oder man lässt sich von seinen Interessen leiten: Die Ärztin investiert in einen Biotech-Fonds, die Ingenieurin in ABB oder Airbus und der Teenager in Nintendo oder H&M. Daniel Wild, Co-CEO des Vermögensverwalters Robeco SAM, findet beispielsweise bemerkenswert, dass heute umweltbezogene Aspekte im Anlageprozess systematisch berücksichtigt werden – er arbeitete früher als Ingenieur im Umweltbereich.

Die Banken sind ziemlich gut darin, Geldanlage als etwas Kompliziertes darzustellen. Schliesslich verdienen sie Geld damit, einem dabei zu helfen, sich im Dickicht von Anlageprodukten zurechtzufinden, das sie selber erschaffen haben. Wenn man nicht viel Vermögen hat, kann man von ihnen nicht viel erwarten und eröffnet besser ein Depot bei einem Online-Broker.

Josef U. Bollag, Chef der Vermögensverwaltungsfirma Tareno, hat mit 17 einen grossen Teil seines bescheidenen Ersparten in die PS der Zürich-Versicherung investiert. Der Grund dafür seien reine Neugier und Lust auf diese Erfahrung gewesen, sagt er. Geldanlage ist für ihn eine Mischung zwischen Intuition und analytischem Vorgehen.

Dieses Abenteuer zu wagen, diese Erfahrung zu machen, ist empfehlenswert, auch wenn man das Fachwissen (noch) nicht hat, um den Zahlenteil eines Geschäftsberichtes zu analysieren. Die Augen offen halten kann schliesslich jeder. Wenn man bemerkt, dass die stilbewussten Kolleginnen im Yoga neuerdings Lululemon tragen oder in den angesagten Bars Fever-Tree-Tonic zum Gin serviert wird, kann man damit Geld verdienen – man muss nur wissen, dass diese Firmen an der Börse gehandelt werden, und solche Aktien frühzeitig kaufen.